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Über 3 Monate in Ecuador – ein zwischenzeitliches Fazit

Mittlerweile bin ich, ohne es wirklich zu realisieren, mehr als drei Monate hier am anderen Ende der Welt. Völlig überraschend war auf einmal gestern schon der 1. Advent, in Deutschland liegt der erste Schnee und wir hier in Olon freuen uns auf fünf sonnenreiche Monate bis, in denen wir viel Zeit am Strand und/oder surfend auf dem Pazifik verbringen werden.
Deshalb möchte ich hier die Gelegenheit nutzen, auf meine bisherige Zeit in Ecuador zurückzublicken und euch somit auch mal wieder auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen.

Olon

Es ist wirklich ein Traum! Vor allem jetzt, wo immer öfter die Sonne rauskommt, kommt es einem manchmal vor wie das Paradies. Es gibt wahrscheinlich auf der ganzen Welt nur wenige Strände, die schöner sind als der, den ich zu Fuß in zwei Minuten von meiner Haustür aus erreichen kann. Auf der einen Seite das Santuario, welches auf einem Felsen mitten in den Pazifik hineinragt, auf der anderen Seite unzählige Palmen und vor allem das scheinbar endlose, blaue Meer, welches sich Fischer und Surfer friedlich untereinander aufteilen. Dieses Dorf hat einen Charme, den ich mit nichts vergleichen kann, was ich aus Deutschland kenne. Und selbst mir als Stadtkind wird nie langweilig. Olon ist zwar klein, aber dadurch, dass irgendwie jeder jeden kennt, ist trotzdem immer was los. In einer Woche beginnen zum Beispiel die „Fiestas de Olon“, was den Geschichten nach zu urteilen ein echtes Highlight sein muss. Außerdem trifft man hier dauernd neue Leute aus anderen Ländern Südamerikas oder den USA, die mindestens genau so nett und offen sind wie die Einheimischen hier aus dem Dorf.

Die anderen Freiwilligen

Bis vor zwei Wochen bestand unser Team noch aus vier Freiwilligen, doch Maya ist seit dem 17. November wieder zuhause im kalten Deutschland. Im Gegensatz zu uns Übriggebliebenen kam sie jedoch nicht im August, sondern schon im Mai an und hatte somit schon ein halbes Jahr in Ecuador hinter sich. Maya war diejenige, die uns eingearbeitet, uns Orte gezeigt und Leute vorgestellt hat. Dadurch hatten wir hier einen deutlich leichteren Start als sie, denn sie musste vorher als einzige Freiwillige alleine die Stellung und die Musikschule am Laufen gehalten. Diese wirklich nicht einfache Aufgabe hat sie jedoch so gut gemeistert, dass sie mittlerweile von Deutschland aus außerdem unsere neue Koordinatorin ist!
In unserer Gruppe und sehr vielen unserer kleineren Schüler fehlt sie jetzt auf jeden Fall, jedoch gibt es einen kleinen Trost: Da ihr Freund in Mannheim wohnt, haben wir abgemacht, im nächsten Herbst, wenn ich auch wieder in Deutschland bin, zusammen in Bad Dürkheim auf den berühmten „Wurstmarkt“ zu gehen 🙂

Iva ist mit 31 Jahren die „Mama“ von uns Freiwilligen und außerdem schon fertig studierte Pianistin und Korrepetitorin. Das ist vor allem für mich ein absoluter Glücksgriff – mittlerweile haben wir schon ein Duoprogramm von ca. 1,5 Stunden, womit wir in den nächsten Wochen und Monaten durch die Restaurants von Olon und Montanita touren und uns ein bisschen Taschengeld dazu verdienen können. Mit ihr zu spielen ist einfacher und macht mehr Spaß als mit allen anderen Pianisten, mit denen ich schon zusammengespielt habe. Wenn ich ein bestimmtes Stück spielen will, guckt sie sich das eine Stunde lang an und wir können es eine weitere halbe Stunde später schon so spielen, als hätten wir es tagelang geprobt!
Iva hat hier außerdem mittlerweile schon einen Freund: Carlos, ein sehr coolen Kolumbianer, der seit Anfang des Jahres in Olon lebt. Daher wird sie wahrscheinlich nach ihrer Rückkehr nach Tschechien im Februar schon im März wieder nach Ecuador zurückkommen um dann einige Monate später mit ihm nach Kolumbien zu reisen.

Mit Hansverbringe ich momentan die meiste Zeit und er ist in den paar Monaten hier zu einem echt guten Freund geworden. Mit ihm habe ich unter anderem einen Laden in Olon ausfindig gemacht, in dem man für einen Dollar in der Stunde sinnlose Spiele auf der Playstation spielen kann, letztens zu Fuß Olon und Umgebung erkundet (es ist echt immer noch erstaunlich, was für Orte man hier entdecken kann, wenn man einfach mal einem kürzlich entdeckten Trampelpfad in den Wald hinein folgt), viele witzige Abende in Montanita oder am Strand von Olon verbracht und vor allem viele Ausflüge gemacht. Er geht leider schon Mitte Januar in Ecuador auf Reisen, um dann ab Februar weitere lateinamerikanische Länder kennenzulernen. Jedoch haben auch wir natürlich auch schon Pläne für die Zeit nach Ecuador, zum Beispiel eine Rennradtour von Halle nach Hamburg oder andersrum.

Unsere Arbeit in der Musikschule

Bis zur Abreise Mayas nach Deutschland hatten wir eine sehr luxuriöse Situation was die Anzahl der Frewilligen in unserem Projekt anging. Maya musste vorher noch in unseren drei Standorten Olon, Manglaralto und Santuario alleine unterrichten – nach unserer Ankunft hatten wir als Team dann viel mehr Möglichkeiten, uns die Arbeit aufzuteilen. Wir gingen auf Schülersuche, führten Schlagzeugunterricht wieder ein, arbeiteten viel daran, einen weiteren Raum für eben diesen Schlagzeugunterricht zur Verfügung zu haben und ihn für regelmäßigen Unterricht und Bandprojekte herzurichten, führten einen strukturierten Stundenplan ein, reparierten unsere Keyboards, um zur gleichen Zeit zwei Schülern Klavierunterricht geben zu können, organisierten ein Benefizkonzert für die Musikschule, starteten eine große Spendenaktion (dazu bald nochmal ein Blogeintrag – Vielen Dank jedoch auch hier schonmal an alle großzügigen Spender!) und vieles mehr…

Momentan versuchen wir, die Schüler, die regelmäßig kommen und bei denen man merkt, dass ihnen die Musikschule etwas bedeutet, aktiver einzubinden und so eine Gemeinschaft in und um das Centro Cultural aufzubauen. Obwohl wir durch all das mittlerweile weit mehr Arbeit haben als noch vor einigen Monaten und von Montag bis Freitag regelmäßig von 14 bis 20:30 Uhr unterrichten, bleiben uns immer noch die Vormittage zum Entspannen, surfen, Ausflüge machen etc.

Meine Gastfamilie

Wie schon einige Male erwähnt, habe ich mit meiner Gastfamilie wirklich sehr großes Glück gehabt!
Zunächst gibt es da meine Gastmama Nelly, die den ganzen Laden hier schmeißt. Sie ist eindeutig diejenige, die im Haus das Sagen hat. Erst vor einigen Wochen habe ich herausgefunden, dass sie gar nicht mehr mit meinem Gastvater Nolasco zusammen ist, sondern sie nur noch (wahrscheinlich aus finanziellen Gründen) zusammen leben. Für Ecuador untypisch ordnet sie sich jedoch in keinster Weise ihrem Ex-Ehemann unter (ich würde nicht ausschließen, dass das unter anderem ein Grund für ihre Trennung war), sondern ist z.B. auch für Gäste die erste Ansprechperson und macht einfach das, was sie will. Sie ist ein für Ecuador eher seltener Typ Frau und genießt durch ihr Engagement für alle möglichen Dorffeiern und -versammlungen auch eine gewisse Berühmtheit hier im Dorf. Das alles heißt jedoch trotzdem nicht, dass ich eine Chance hätte, meine Wäsche selber zusammenzulegen, geschweige denn ab und zu mal das Geschirr abzuspülen. Insgesamt habe ich vier Gastgeschwister, von denen drei noch zuhause leben. Mein kleiner Bruder Luis ist 13 und dementsprechend verplant, aber (wie fast alle hier) mega lieb und vor allem sehr musikalisch! Er hat mittlerweile bei Hans Schlagzeug- und bei mir Klavierunterricht und macht sich bei beidem richtig gut. Noch besser würde er sich allerdings machen, wenn er seltener seine Stunden einfach verschlafen würde… Meine kleine Schwester Joyce ist 15 und hat wie Luis auch bei mir Klavierunterricht. Sie ist super lustig drauf und meint, wenn ich sie mitnehmen würde, würde ihr Nelly bestimmt erlauben, am Wochenende länger in Montanita zu bleiben. Die große Schwester Elisabeth hat schon ein Baby, meinen kleinen Gastneffen Alan, der das süßeste Kind ist, das ich jemals kennengelernt hab. Die beiden leben zusammen mit Elisabeths Freund John in einem Zimmer neben dem eigentlichen Haus. All diese Leute bilden den Kern der Familie und sind diejenigen, mit denen ich am meisten zu tun habe. Während ich diesen Blog schreibe ist außerdem meine Nichte Dominga geboren, die Tochter von meinem ältesten Gastbruder Klever (mit dem ich bisher noch nicht so viel zu tun hatte, weil er nicht mehr zuhause lebt) und seiner Frau Tatjana.

Prägende Erlebnisse

Grob gesagt gibt es hier in Ecuador zwei Bereiche, die mich bislang am meisten beeindrucken: Die Menschen und die Natur! Jedes mal, wenn man hier in Olon einen weiteren Weg macht als nur schnell mit dem Fahrrad von Zuhause zur Musikschule zu fahren (und oft selbst dann) trifft man Leute, grüßt sich oder bleibt kurz auf ein bisschen Smalltalk stehen und hat danach einfach immer bessere Laune. Und das gilt nicht nur für Ecuadorianer, sondern auch für die anderen Menschen aus allen möglichen Orten der Welt, die hier in Olon einfach eine perfekte Mischung ergeben. Selbst alle Amis, die wir hier bisher getroffen haben, waren super cool. Es kommen nämlich eben nicht die Donald-Trump-Wähler hier nach Olon, sondern erstaunlich viele Aussteiger, die keine Lust mehr auf das getaktete und stressige Leben bei sich Zuhause haben und lieber hier Ecuador ihr Leben genießen wollen. Auch unsere Gastfamilien sind (trotz teilweise etwas verquerer Familienverhältnisse) alle sehr lieb, fürsorglich und passen auf uns auf. Unser Koordinator Jonathan ist sowieso ein mega cooler Typ, wenn auch ein bisschen verplant dafür, dass sein Job darin besteht, Dinge zu koordinieren.
Ein ganz besonderer Ort ist zudem das Waisenhaus „Santuario“, in dem wir auch zweimal in der Woche unterrichten. Hier wird Nächstenliebe unter so schwierigen Bedingungen so ehrlich und allumfassend gelebt wie ich es nirgendwo anders je erlebt habe. Es gibt die sogenannten „Tias (Tanten)“ – Missioneras, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, den Kindern zu helfen. Sie haben nicht einen Tag im Jahr Urlaub, keinen Tag in der Woche frei, keine Mittagspause und schlafen im Schnitt 5 Stunden. Es ist mir ein Rätsel, wie es sein kann, dass sie trotzdem immer so gut gelaunt und herzlich sind, aber anscheinend scheinen sie aus irgendeiner Quelle eine Energie zu schöpfen, die den meisten von uns unerklärlich ist. In jedem Fall ein inspirierender Ort mit vielen inspirierenden Menschen…
Der andere Bereich, die Natur, lässt sich wahrscheinlich besser anhand von Fotos zeigen, als mit Worten beschreiben. Jedoch kann ich nur wiederholen, wie sehr es mich beeindruckt, dass es in diesem vergleichsweise kleinen Land auf engstem Raum ungefähr alles gibt, was man sich an Natur nur wünschen und vorstellen kann. Von riesigen Stränden voller Palmen, über Großstädte mitten im Hochgebirge, Vulkane, Lagunen, Wasserfälle bis hin zum dichten Regenwald gibt es alles, was das Herz begehrt. Und das ist von den Galapagos-Inseln noch einmal abgesehen…
Ich war mittlerweile schon im Gebirge in Cuenca, Quito und Otavalo (über diese Reisen wird -irgendwann- auch nochmal ein Eintrag mit ein paar schönen Bildern folgen), an der Küste in Guayacuil, Santa Elena, natürlich Olon, Montanita etc. und in einigen Orten der Provinz Manabi. Überall sieht es anders und irgendwie einzigartig aus. Und nicht nur das: Es gibt in Ecuador von der einen Provinz zur anderen auch unterschiedliche Klimaphänomene. So ist zum Beispiel die Saison mit viel Sonnenschein in Manabi in völlig anderen Monaten als bei uns in Santa Elena – dabei ist man mit dem Bus in zweieinhalb Stunden dort…

Fazit

Ich hab es hier in Olon wirklich sehr gut erwischt! Bisher habe ich hier eine superschöne, erlebnisreiche und prägende Zeit und sehe auch keinen Grund, warum sich das in meinen restlichen sieben Monaten hier ändern sollte. Ich habe Glück mit meiner Gastfamilie, mit meinen Mitfreiwilligen und mit dem Ort, an dem ich gelandet bin. Nichtsdestotrotz haben jetzt in der Vorweihnachtszeit die kleinen Heimweh-Momente etwas zugenommen und natürlich ist auch nicht alles perfekt und es gibt immer wieder Probleme. Aber das sind im Großen und Ganzen alles Kleinigkeiten, über die man (bzw. ich) getrost hinweg sehen kann und sollte.

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